

Das Rhizosphären-Mikrobiom: Modulation der Produktivität und Phytochemie von Cannabis sativa L. durch komplexe bakterielle und pilzliche Interaktionen
May 23
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Die Rhizosphäre, definiert als die Mikroschicht des Bodens, die direkt von Wurzelexsudaten der Pflanze und den damit assoziierten Bodenmikroorganismen beeinflusst wird, stellt ein kritisches Ökosystem für Cannabis sativa L. dar. Diese edaphische Nische ist durch intensive biochemische Aktivität gekennzeichnet, angetrieben durch die Ablagerung von Photosyntheseprodukten der Pflanze (Zucker, Aminosäuren, organische Säuren), die selektiv ein dichtes und funktionell diverses mikrobielles Konsortium ernähren. Die mikrobielle Dichte in der Rhizosphäre kann um Größenordnungen (10- bis 100-fach) höher sein als im umgebenden Hauptboden. Für Cannabis-Anbauer bietet ein nuanciertes Verständnis des Rhizosphären-Mikrobioms, insbesondere der Rolle von Bakterien und Pilzen, Möglichkeiten zur Optimierung der Pflanzenvitalität, zur Steigerung der Produktion sekundärer Metaboliten (Cannabinoide und Terpene) und zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Kulturpflanzen gegenüber biotischen und abiotischen Stressfaktoren.

Definition der Rhizosphäre und ihrer Bewohner
Die Rhizosphäre ist keine homogene Zone, sondern kann weiter unterteilt werden in die Endorhizosphäre (Wurzelrindengewebe, das von Mikroben besiedelt ist), die Rhizoplane (die Wurzeloberfläche) und die Ektorhizosphäre (der Boden unmittelbar angrenzend an die Wurzel). Die kollektive mikrobielle Gemeinschaft innerhalb dieser Zonen, als Phytomikrobiom bezeichnet, geht komplexe Wechselwirkungen mit der Wirtspflanze ein. Bakterien und Pilze sind die vorherrschenden mikrobiellen Gruppen, die kommensale, mutualistische oder in einigen Fällen pathogene Beziehungen mit C. sativa aufweisen.
Vorherrschende mikrobielle Gilden und ihre funktionellen Rollen in der Cannabis-Rhizosphäre
1. Pflanzenwachstumsfördernde Rhizobakterien (PGPR)
PGPR umfassen eine taxonomisch vielfältige Gruppe von Bakterien, die durch verschiedene direkte und indirekte Mechanismen positive Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum und die Entwicklung haben. Wichtige Gattungen, die häufig mit Pflanzenwachstumsförderung in Verbindung gebracht werden, sind Pseudomonas, Bacillus, Azospirillum, Azotobacter, Arthrobacter, Enterobacter, Rhizobium, Pantoea und Serratia.
Direkte Mechanismen:
Biofertilisation (Nährstoffaufnahme):
Biologische Stickstofffixierung (BNF): Asymbiotische Diazotrophe (z. B. Azotobacter, Azospirillum) wandeln atmosphärischen Distickstoff (N2) in pflanzenverfügbares Ammoniak (NH3) um und reduzieren so den Bedarf an synthetischen Stickstoffdüngern.
Phosphat-Solubilisierung: PGPR können unlösliche Bodenphosphate (z. B. Rohphosphat, Trikalziumphosphat) durch die Sekretion von organischen Säuren (z. B. Gluconsäure, Zitronensäure) oder Enzymen wie Phosphatasen und Phytasen in lösliche Formen (H2PO4−, HPO42−) umwandeln. Bacillus und Pseudomonas sind in dieser Hinsicht leistungsfähig.
Kalium-Solubilisierung: Bestimmte PGPR können unlösliches Kalium aus Bodenmineralien mobilisieren und so dessen Verfügbarkeit erhöhen. Bacillus-Arten haben diese Fähigkeit gezeigt.
Siderophorenproduktion: Unter Eisenmangelbedingungen synthetisieren viele PGPR niedermolekulare, hochaffine Eisen(III)-Chelatoren, sogenannte Siderophoren (z. B. Pseudobactine, Pyoverdine von Pseudomonas; Bacillibactin von Bacillus), die die Eisenaufnahme durch die Pflanze erleichtern.
Phytostimulation (Phytohormon-Modulation): PGPR können Phytohormone wie Auxine (vorwiegend Indol-3-Essigsäure, IAA), Cytokinine und Gibberelline synthetisieren oder das endogene hormonelle Gleichgewicht der Pflanze beeinflussen. Die IAA-Produktion durch PGPR kann die Wurzelvermehrung und -verlängerung stimulieren und so die Nährstoff- und Wasseraufnahme verbessern. PGPR können auch Enzyme wie 1-Aminocyclopropan-1-Carboxylat (ACC)-Deaminase produzieren, die ACC (den unmittelbaren Vorläufer von Ethylen) spaltet und dadurch hemmende Ethylenkonzentrationen unter Stressbedingungen reduziert und das Pflanzenwachstum fördert.
Indirekte Mechanismen:
Biokontrolle von Phytopathogenen: PGPR können Pflanzenkrankheiten durch verschiedene antagonistische Strategien unterdrücken:
Antibiose: Produktion von antimikrobiellen Verbindungen (z. B. 2,4-Diacetylphloroglucinol von Pseudomonas, Lipopeptide wie Surfactin, Iturin und Fengycin von Bacillus), die das Pathogenwachstum hemmen.
Produktion lytischer Enzyme: Sekretion von Enzymen wie Chitinasen, β-1,3-Glucanasen, Proteasen und Lipasen, die die Zellwände von Pathogenen abbauen.
Konkurrenz: Erfolgreiche PGPR können Pathogene bei der Besiedlung von Nischen und um essentielle Nährstoffe in der Rhizosphäre verdrängen.
Induzierte systemische Resistenz (ISR): PGPR können in der Pflanze einen Zustand erhöhter Abwehrbereitschaft gegen ein breites Spektrum von Pathogenen auslösen. ISR wird oft durch Jasmonsäure- und Ethylensignalwege vermittelt.
Quorum Quenching: Einige PGPR können die Kommunikation von Pathogenen (Quorum Sensing) durch den Abbau von Signalmolekülen stören und so die Virulenz abschwächen.

Studien an C. sativa (cv. CBD Kush) zeigten, dass die Inokulation mit Bacillus sp., Mucilaginibacter sp. und Pseudomonas sp., suspendiert in King's B Nährmedium, zu signifikanten Verbesserungen der Biomasse und der Akkumulation sekundärer Metaboliten führte. Beispielsweise erhöhte die Inokulation mit Mucilaginibacter sp. im vegetativen Stadium das Trockengewicht der Blüten um 24 %, den Gesamtgehalt an Cannabidiol (CBD) um 11,1 % und den Gesamtgehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) um 11,6 %. Pseudomonas sp. erhöhte die Trockenmasse der Stängel um 28 %, den Gesamt-CBD-Gehalt um 7,2 % und den Gesamt-THC-Gehalt um 5,9 %.
2. Rhizosphärische Pilze
Pilze, einschließlich arbuskulärer Mykorrhizapilze (AMF) und verschiedener endophytischer und saprophytischer Arten, sind integrale Bestandteile des Rhizosphären-Mikrobioms mit tiefgreifenden Auswirkungen auf C. sativa.
Arbuskuläre Mykorrhizapilze (AMF): AMF (Phylum Glomeromycota) bilden obligate Symbiosen mit den Wurzeln der überwiegenden Mehrheit der Landpflanzen, einschließlich C. sativa.
Verbesserte Nährstoffaufnahme: Das extraradikale Myzel von AMF erstreckt sich weit über die Verarmungszone der Wurzel hinaus und vergrößert so die Absorptionsfläche für Nährstoffe, insbesondere für schwer mobile Ionen wie Phosphat, Zink und Kupfer, erheblich.
Verbessertes Pflanzenwachstum und Ertrag: Es wurde gezeigt, dass die Inokulation mit AMF, wie z. B. Rhizophagus irregularis (syn. Glomus intraradices), die Pflanzenhöhe, den Stammdurchmesser, die Blattfläche und die Anzahl der Blütenstände bei Cannabis und Hanf erhöht.
Abiotische Stresstoleranz: AMF können die Stressreaktionen von Pflanzen auf Trockenheit, Salinität und Schwermetalltoxizität durch verbesserte Pflanzenernährung, Wasseraufnahme und Modulation der physiologischen Reaktionen des Wirts verbessern.
Phytochemische Modulation: Es gibt Hinweise darauf, dass AMF-Assoziationen die Produktion von Cannabinoiden und Terpenen in C. sativa beeinflussen können. Ahmed et al. (2023) berichteten, dass mikrobielle Konsortien, einschließlich R. irregularis, die Akkumulation von CBDV, CBG, CBD, CBDA, CBGA, CBN, Δ9-THCA-A und anderen Cannabinoiden in verschiedenen medizinischen Cannabissorten variabel beeinflussten.
Endophytische Pilze: Diese Pilze leben asymptomatisch im Pflanzengewebe, einschließlich der Wurzeln. Ihre Rolle in C. sativa ist vielfältig:
Biostimulation und Biokontrolle: Ähnlich wie PGPR können einige endophytische Pilze (z. B. bestimmte Trichoderma-Arten) das Pflanzenwachstum fördern und Schutz vor Pathogenen bieten. Trichoderma harzianum beispielsweise hat sich bei Hanf als wirksam erwiesen, um Pflanzenhöhe, Biomasse und Wurzeldichte zu erhöhen und gleichzeitig Pathogene wie Fusarium oxysporum und Pythium myriotylum zu bekämpfen. Die Mechanismen umfassen Mykoparasitismus, Konkurrenz, Antibiose und Induktion systemischer Resistenz.
Modulation des Sekundärstoffwechsels: Endophyten können das Sekundärmetabolitenprofil der Pflanze beeinflussen.
Ubiquitäre Besiedler: Die Forschung zeigt, dass Penicillium chrysogenum (ein Antibiotikaproduzent) und der AMF Rhizophagus irregularis weit verbreitete Endophyten in verschiedenen Geweben von C. sativa sind, was auf potenziell signifikante, wenn auch nicht vollständig geklärte, Rollen hindeutet.
Einfluss der Rhizosphärendynamik auf die Cannabis-Agronomie und Phytochemie
Die kollektiven Aktivitäten des Rhizosphären-Mikrobioms üben einen tiefgreifenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von C. sativa aus:
Erhöhte Biomasse und Ertrag: Optimierte Nährstoffaufnahme, Phytohormonbalance und Stressminderung, vermittelt durch nützliche Mikroben, führen direkt zu einer erhöhten vegetativen und reproduktiven Biomasse, einschließlich des Blütenertrags, einem kritischen Parameter für die Cannabisproduktion. Eine frühe PGPR-Inokulation während des vegetativen Stadiums führt oft zu signifikanteren Verbesserungen des nachfolgenden Wachstums und des Endertrags.
Modulation der Cannabinoid- und Terpensynthese: Das Rhizosphären-Mikrobiom kann die Konzentrationen und Profile von Cannabinoiden (z. B. CBGA, CBDA, THCA, CBD, THC) und Terpenen (z. B. α-Pinen, β-Myrcen, Limonen, Caryophyllen, Humulen) signifikant verändern. Die Inokulation mit Mucilaginibacter sp. und Pseudomonas sp. im Blühstadium erhöhte die Gesamtterpenakkumulation bei C. sativa cv. CBD Kush um 23 % bzw. 18 %, wobei Mucilaginibacter sp. die β-Caryophyllen-Konzentrationen deutlich anhob.
Gesteigerte Pflanzenvitalität und Pathogenresistenz: Ein funktionell diverses und nützliches Rhizosphären-Mikrobiom trägt zur allgemeinen Pflanzengesundheit bei und verbessert die Resistenz gegenüber Pathogenen und die Toleranz gegenüber Umweltstress. Der Einsatz von Fungiziden, obwohl zur Bekämpfung von Pathogenen gedacht, kann diese nützliche mikrobielle Gemeinschaft unbeabsichtigt stören, ihre Diversität reduzieren und potenziell ihre Schutzfunktionen beeinträchtigen. Beispielsweise wurde gezeigt, dass der Fungizideinsatz bei Hanf die Zusammensetzung der pilzlichen Endophytengemeinschaft veränderte, die Heterogenität der Gemeinschaft erhöhte und die Pathogenhäufigkeit reduzierte, aber auch die Diversität der endophytischen Pilze verringerte.

Schädliche Rhizosphärenbewohner und ökologische Überlegungen
Es ist entscheidend zu erkennen, dass nicht alle Rhizosphärenmikroben nützlich sind. Die Rhizosphäre kann auch Phytopathogene wie Fusarium spp. (verursacht Umfallkrankheiten, Wurzel- und Kronenfäule), Pythium spp. (Wurzelfäule) und Sclerotium cepivorum (Weißfäule, bei Allium-Arten, aber die Prinzipien bodenbürtiger Pathogene sind anwendbar) beherbergen. Einige endophytische Pilze, wie Fusarium oxysporum, können auch als latente Pathogene im Cannabisgewebe agieren. Das Gleichgewicht zwischen nützlichen und schädlichen Mikroben wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, darunter Bodentyp, landwirtschaftliche Praktiken, Pflanzengenotyp und Umweltbedingungen. Konventionelle landwirtschaftliche Praktiken, wie der Einsatz von Breitbandfungiziden, können zwar die Populationen von Zielpathogenen reduzieren, aber auch nützliche Nicht-Ziel-Pilze negativ beeinflussen, was potenziell zu einem weniger widerstandsfähigen Phytomikrobiom führt.
Strategien für das Rhizosphärenmanagement im Cannabisanbau
Strategisches Management der Rhizosphäre kann den Anbau von C. sativa verbessern:
Anwendung von Bioinokulanzien: Die gezielte Einbringung von nützlichen PGPR, AMF und endophytischen Pilzen kann das Pflanzenwachstum und die Gesundheit verbessern. Die Wirksamkeit solcher Inokulanzien kann durch die gemeinsame Anwendung mit geeigneten Trägermaterialien oder Nährmedien (z. B. King's B Medium für PGPR) erhöht werden.
Organische Düngemittel: Die Einarbeitung verschiedener organischer Materialien (z. B. Kompost, Biokohle) kann die Bodenstruktur, die Nährstoffverfügbarkeit verbessern und nützliche mikrobielle Populationen stimulieren.
Integriertes Schädlings- und Krankheitsmanagement (IPM): Die Anwendung von IPM-Strategien, die die Abhängigkeit von synthetischen Pestiziden minimieren, kann helfen, das natürliche Rhizosphären-Mikrobiom zu erhalten.
Sortenspezifisches mikrobielles Management: Die Erkenntnis, dass verschiedene Cannabissorten mikrobielle Gemeinschaften unterschiedlich beherbergen und darauf reagieren können, ist entscheidend für die Entwicklung maßgeschneiderter Managementansätze.
Schlussfolgerung und zukünftige Perspektiven
Die Rhizosphäre von Cannabis sativa stellt eine dynamische biologische Grenzfläche dar, an der komplexe Wechselwirkungen zwischen der Pflanze und einer vielfältigen Palette von Bakterien und Pilzen entscheidende agronomische und phytochemische Ergebnisse bestimmen. Die Nutzung der funktionellen Fähigkeiten nützlicher PGPR und Pilze durch informierte Rhizosphärenmanagementstrategien bietet einen Weg zu einem nachhaltigen Cannabisanbau, der durch gesteigerte Produktivität, verbesserte Cannabinoid- und Terpenprofile und erhöhte Pflanzenresistenz gekennzeichnet ist. Kontinuierliche Forschung, die sich auf die molekularen Mechanismen von Pflanze-Mikroben-Interaktionen, die Entwicklung synergistischer mikrobieller Konsortien und die Auswirkungen verschiedener Anbaupraktiken auf das Cannabis-Phytomikrobiom konzentriert, wird das Potenzial dieses komplexen Ökosystems weiter erschließen.
Referenzen (Synthetisiert aus den bereitgestellten Quelldokumenten)
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